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Wie geht man mit der Trauer um?

Wer es nicht selbst erlebt hat, kann die Trauer der nächsten Angehörigen sicher nicht verstehen. Die Trauer beim Todesfall eines sehr nahestehenden Menschen (in unserem Fall der Sohn) ist das Brutalste was im Leben passieren kann! Und jeder Mensch verarbeitet es anders. Der eine ist wütend und fällt von allem Glauben ab, der andere schweigt, weint oder ist wütend. Oft wird ein Schuldiger gesucht. Dennoch ist man zu unglaublichen Leistungen fähig.

Kurz nach dem Tod, will man es einfach nicht wahrhaben, was passiert ist. Man wünscht sich nur endlich aus diesem Alptraum zu erwachen!

Doch es ist bittere Realität. Was man im Schockzustand alles erledigt ist unglaublich.
So ging es mir jedenfalls. Man überlegt sich, wie die Trauerfeier und Beerdigung ablaufen soll. Man gestaltet eine Todesanzeige, als ob man nie etwas anderes tun würde. Alles muss perfekt sein. Ziele hat man nicht mehr, das einzige Ziel ist es bis zum Tag der Beerdigung irgendwie zu schaffen.

Ich hatte mich von Anfang an entschieden alles so offen wie möglich zu verarbeiten. Zwei Nächte lang habe ich mit guten Freunden von Alex über das Warum diskutiert. Wir haben uns alle gegenseitig wieder aufgerichtet und getröstet. Reden und Zusammenhalt bringt unglaublich viel. Vorwürfe und Schuldzuweisungen machen einen nur kaputt und ändern letztlich gar nichts an der feststehenden Tatsache. Meine Tochter entschied sich in der Woche der Beerdigung ihre Prüfungsvorbereitung zur Mittleren Reife fortzuführen. Wir wollten Sie eigentlich von der Schule freistellen. Steffi, meine Tochter wurde reich belohnt für ihre Stärke und ihre positive Willenskraft. Sie bestand die Mittlere Reife und fand noch eine Lehrstelle als zahnmedizinische Fachangestellte. Ich bin unglaublich stolz auf meine Tochter. Auch sowas gibt sehr viel Kraft.

Deshalb ist meine Meinung: Man braucht nach der Beerdigung schnell wieder Aufgaben
und Ablenkung. Ich bin nach 14 Tagen wieder zum Arbeiten gegangen und bin dort tagsüber so stark, dass alle sich wundern wie ich das wohl mache. Natürlich fahre ich jeden Tag nach dem Arbeiten an das Grab von Alex rede da mit ihm und weine mich dann aus. Steffi hat die Prüfungen durchgezogen und bestanden. Für meinen Alex habe ich in unserer Betriebsmannschaft (wir spielten in diesem Team ja immer zusammen) noch bei einem Fußball-Turnier mitgespielt. Das Ergebnis: Ich habe in Gedanken nur für meinen Alex gespielt und wir haben das Turnier gewonnen! Den Turniersieg habe ich ihm gewidmet. Anschließend gewannen wir noch drei Turniere in Folge. Das habe ich in über 40 Jahren Fußball nicht erlebt.

Was hat mir geholfen? Positives Denken und die Freunde von Alex, die immer für uns da sind. Seine Arbeitskollen/innen und Verwandte, die uns unglaublich aufgebaut haben. Die vielen Menschen die uns in dieser schweren Zeit Trost gespendet haben, in Wort und Schrift, unzählige Umarmungen und echte Anteilnahme. Man lernt in dieser Zeit seine wahren Freunde kennen und schätzen. Schon ein Jahr vor Alex`s Tod habe ich mich sehr ausführlich mit positiver Denkweise beschäftigt und täglich Bücher zu diesem Thema regelrecht "verschlungen". Als Alex starb konnte ich drei Wochen kein Buch mehr anfassen. Dann versuchte ich mich und meine Mitmenschen wieder positiv zu motivieren. Zur Zeit arbeite an der Homepage für Alex. Hier überkommen mich traurige Momente, aber auch viele sehr schöne Momente, die ich gemeinsam mit ihm erleben durfte.

Und was auf jeden Fall hilft: EIN STARKER GLAUBE!

Eine der bekanntesten Theorien rund um den Trauerprozess stammt von Verena Kast. Sie lehnt sich stark an das Modell der Sterbephasen von Kübler-Ross an und unterscheidet vier Phasen, die meist sukzessive, aber natürlich nicht streng voneinander getrennt ablaufen:



Erste Phase: Nicht-Wahrhaben-Wollen

Der Verlust wird verleugnet, der oder die Trauernde fühlt sich zumeist empfindungslos und ist oft starr vor Entsetzen: „Es darf nicht wahr sein, ich werde erwachen, das ist nur ein böser Traum!“ Diese erste Phase ist meist kurz, sie dauert ein paar Tage bis wenige Wochen.



Zweite Phase: Aufbrechende Emotionen

In der zweiten Phase werden durcheinander Trauer, Wut, Freude, Zorn, Angstgefühle und Ruhelosigkeit erlebt, die oft auch mit Schlafstörungen verbunden sind. Eventuell setzt die Suche nach einem oder mehreren „Schuldigen“ ein (Ärzte, Pflegepersonal …). Der konkrete Verlauf dieser Phase hängt stark davon ab, wie die Beziehung zwischen den Zurückgebliebenen und dem Verlorenen war, ob zum Beispiel Probleme noch besprochen werden konnten oder ob viel offengeblieben ist. Starke Schuldgefühle im Zusammenhang mit den Beziehungserfahrungen können bewirken, dass man auf dieser Stufe stehenbleibt. Das Erleben und Zulassen aggressiver Gefühle hilft dem Trauernden dabei, nicht in Depressionen zu versinken. Weil in unserer Gesellschaft Selbstbeherrschung ein hoher Wert ist und abhängig von familiären und gesellschaftlichen Prägungen sogar die Tendenz bestehen kann, Trauer ganz zu verdrängen, bestehen oft große Schwierigkeiten, diese Phase zu bewältigen. Aber nur indem die adäquaten Emotionen auch tatsächlich erlebt und zugelassen werden, kann die nächste Trauerphase erreicht werden.



Dritte Phase: Suchen, finden, sich trennen

In der dritten Trauerphase wird der Verlorene unbewusst oder bewusst „gesucht“, meistens dort, wo er im gemeinsamen Leben anzutreffen war (in Zimmern, Landschaften, auf Fotos, aber auch in Träumen oder Phantasien …). Die Konfrontation mit der Realität bewirkt, dass der oder die Trauernde immer wieder lernen muss, dass sich die Verbindung drastisch verändert hat.
Der Verlorene wird bestenfalls zu einem „inneren Begleiter“, mit dem man durch inneren Dialog eine Beziehung entwickeln kann. Im schlechteren Fall lebt der Trauernde eine Art Pseudoleben mit dem Verlorenen, nichts darf sich ändern, der Trauernde entfremdet sich dem Leben und den Lebenden. Wenn der Verlorene aber zu einer inneren Person wird, die sich weiterentwickeln und verändern kann, dann wird die nächste Phase der Trauerarbeit erreicht. Besonders hilfreich erweist sich, wenn in dieser Phase des Suchens, des Findens und des Sich-Trennens auch noch ungelöste Probleme mit der verlorenen Person aufgearbeitet werden können. Bisweilen kommt es in der dritten Phase auch zu Wutausbrüchen.



Vierte Phase: Neuer Selbst- und Weltbezug

In der vierten Phase ist der Verlust soweit akzeptiert, dass der verlorene Mensch zu einer inneren Figur geworden ist. Lebensmöglichkeiten, die durch die Beziehung erreicht wurden und die zuvor nur innerhalb dieser Beziehung möglich gewesen sind, können nun zum Teil zu eigenen Möglichkeiten werden. Neue Beziehungen, neue Rollen, neue Verhaltensmöglichkeiten, neue Lebensstile können möglich werden. Dass jede Beziehung vergänglich ist, dass alles Einlassen auf das Leben an den Tod grenzt, wird als Erfahrung integrierbar. Idealerweise kann man sich dann trotz dieses Wissens auf neue Bindungen einlassen, weil man weiß, dass Verluste zu ertragen zwar schwer, aber möglich ist und auch neues Leben in sich birgt.